newa

2. Mai 2005

snap shot 5

Filed under: Allgemeines — bettina @ 09:37

–UNDER CONSTRUCTION–

privjet!
das meistgehoerte und meistgelesene wort in russland ist “REMONT”, was reparatur, sanierung, renovierung bedeutet. es ist immer und ueberall anzuwenden. die alten buergerhaeuser im zentrum von pieter werden schon seit den 80er jahren “renoviert”. was fehlt, ist geld, um das auch wirklich zu bewerkstelligen. so bleibt es meist nur bei fassadenfaerbelei in der (touristisch erschlossenen) innenstadt. an der peripherie werden billigst und schnellstmoeglichst plattenbausiedlungen hochgezogen, 16stoeckige hochhaeuser dicht nebeneinandergereiht. auf felder zwischen fabriken und strommasten gesetzt, scheinen sie wie pilze aus dem boden zu wachsen. diese haeuser kommen aus dem remont-stadium nie heraus, haben von anfang an spruenge und risse. wenn die oekonomische basis fehlt, scheint kein platz fuer aesthetik zu sein und schon gar nicht fuer menschenfreundlichkeit.
ich habe noch kaum fenster erlebt, die wirklich dicht gewesen waeren. die historischen bauten im zentrum sind es nicht mehr, die neuen dort draussen waren es nie. wenn die ritzen nicht mit dicken schaumgummiwuelsten ausgestopft sind, tun es zeitungen oder im schlimmstenfall buecher. (bei grossen rissen kann die bibel als “dichtungsmaterial” 😉 empfohlen werden) die meisten fenster sind mit klebestreifen zugeklebt, die allmaehlich vergilben. manchmal stelle ich mir vor, der untere horizontale streifen sei teil des ausblicks, ein stueckchen rasen. dann vergesse ich, dass sich vor meinem fenster nur die naechste fassade hochtuermt.
ich sollte meine brille oefters aufsetzen… andererseits mag ich den verschwommenen blick auf die dinge ganz gerne.

zerstoerung, der zwischenraum zwischen “nicht mehr” und “noch nicht”, setzt aber auch grosse mengen an kreativitaet frei und kann sehr spannend sein. auf die spitze getrieben: es finden immer noch bzw. wieder “squat-festivals” (X) statt. Riesige, oft 7- 8 zimmer grosse, verlassene und heruntergekommene, alte wohnungen im stadtzentrum dienen dem kunstvolk als basis fuer bilder, graffiti, objektkunst, performances, lesungen, modeschauen, videopraesentationen, theaterauffuehrungen. djs legen platten auf, bands spielen. an einem tag, gleichzeitig, hintereinander. ich habe selten zuvor soviel kreativitaet auf einem fleck gespuert wie beim festival OTKAT am 30.4. (www.otkat-festival.spb.ru )
da koennen wir “wessis” noch so oft in den “white cube” (ausstellungraeume mit perfekten weissen waenden als projektionsflaeche fuer kunst) laufen – wir werden meistens abgestandene leere vorfinden, die uns muede macht. dort aber in dieser desolaten wohnung wurde auf zeitungspapier, rohen waenden und alten bluemchentapeten gemalt, geklebt, gespachtelt, die alten raeume mit leben gefuellt und energetisch aufgeladen.
vielleicht finde ich das aber auch nur deshalb spannend, weil mein distanziertes und unscharfes auge nach “exotismus” sucht, nach dem folkloristischen “anderen”, das deshalb interessant ist, weil es nichts vom eigenen zu haben scheint. meine russischen freunde finden es jedenfalls gar nicht mehr so toll. “ich sehne mich nach ordnung und klaren strukturen. ich bin es leid, von zerstoerung und chaos umgeben zu sein.” sagt einer und lehnt gelangweilt am alten kamin.
ich sollte meine brille oefters aufsetzen, andererseits….

poka und baba
bettinuschka

(X) squat-ausstellungen fanden in der sowjetischen zeit im geheimen statt. gezeigt wurde hauptsaechlich die verbotene kunst, meist abstrakte malerei der “nonkonformisten”. die events verbreiteten sich nur durch mundpropaganda und wurde immer beliebter. es war ein riskantes unterfangen, man musste immer befuerchten, entdeckt zu werden.
heute nutzen die jungen kuenstlerInnen die alten bauten, allerdings wieder in abgrenzung zu den nunmehr etablierten nonkonformisten (mittlerweile herren ab 50..). die jungen, die viel freier aufgewachsen sind, sind es leid, die generation vor ihr als helden zu verehren, wie es der grossteil der menschen (auch verstaendlicherweise) tut. die jungen haben jedoch wieder kaum etwas eigenes, keinen “platz”, auch wenn sie keine konsequenzen ausser missachtung und der verweigerung der anerkennung zu befuerchten haben. aber das reicht ja auch.

One response to “snap shot 5”

  1. divanova sagt:

    how I would like to be there!
    how I love your view!
    how!

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