newa

21. März 2005

snap shot 2

Filed under: Allgemeines — bettina @ 10:46

snap shot 2

privjet!
strange days. senta schluepft allmaehlich in den russischen alltag wie in einen warmen mantel, waehrend die metaebenen ihr noch stuermisch ins gesicht wehen.
sie heisst nun betti, bettinotschka, bettinitschka, bettinuschka, heroic woman (who wants to stay here more than 5 months without travelling home in between) and djewuschka s juga (was soviel heisst wie maedchen aus dem sueden. maedchen ist ein kompliment hier. wenn du nicht mehr maedchen gerufen wirst, weisst du, du bist wirklich alt!).
ich wurde schon fuer alles moegliche gehalten: fuer italianski, espanski und taub-stumm (was von vorteil sein kann, manchmal ;-)) und gestern rief jemand auf der strasse: “achtung, achtung”, um mich vor einem wildgewordenen automobil zu warnen. wie hat er das bloss erkannt… am ungeuebten gang zwischen den schneehaeufen, eisflaechen und pfuetzen hindurch, den blick stets nach oben gerichtet zu den gefaehrlichen eiszapfen, die wie zaehne an den vorspruengen der haeuser haengen oder an den schmutzigen schuhen (bei gleichen wetterbedingungen habe ich stets die schmutzigsten schuhe. was haben die hier fuer ein impraegnierungsmittel..erst vor ein paar tagen sah ich eine russin in weissen! schuhen ohne ein staeubchen. schwoere!) oder am dauer-kampf-gelaechel. russInnen lachen auf der strasse ungefaehr so haeufig wie ich einen sechser im lotto gewinnen koennte, es sei denn sie glauben, du bist taubstumm.

ansonsten habe ich nichts weiter zu berichten.
wenn ich nicht gerade in meinen tee starre, um darauf zu warten, dass die blaetter allmaehlich zu boden sinken und lustvoll die langsamkeit erlerne oder darauf warte, dass es plusgrade geben wird, was vermutlich etwas laenger dauert, habe ich letzte woche bloss mit einigen offensichtlich historisch wichtigen kuenstlern in einer kneipe einige waesserchen getrunken (wer glaubt, dass mich so etwas trueben kann, der irrt!), war in einem nachtklub-bunker, in welchem man mit buechern eintritt bezahlen konnte und in dem junge bands mit ska-aehnlicher musik samt akkordeon-dominierten russischen klaengen, die fuer mich balkanisch klangen, spielten und texte sangen wie: “was spiele ich hier vor euch lausigem publikum, es waere besser zuhause zu sitzen und pornos zu schauen”, habe einem poetisch-zornigen Vortrag von 7 russen in einem studentencafe gelauscht und nichts verstanden, war auf 3 kleinen und 1 grossen vernissage, wobei es bei letzterer eine russische performance gab, die daraus bestand, dass der kuenstler jeder/m besucherIn ein stueck lachs, eine scheibe brot und einen wodka kredenzte, habe 4 stunden lang ein avandgardistisches klavierkonzert aus den 30er jahren durchgehalten, das in einem prunkvollen saal mit kunstvoller stukkatur und glitzernden lustern stattfand, waehrend draussen ein schneesturm tobte und die aeste der baeume an die hell erleuchteten fenster klopften (wirklich wie im klischee) und war danach mit dem offensichtlich weltberuehmten pianisten aus london (ich bin eine banausin, kannte ihn nicht, aber dass er famous sein muss, erkannte man an seinem auftreten, dass dem oesterreichischer kammersaenger aehnelte) und dem britischen konsul in einem kaukasischen restaurant speisen.
dabei habe ich noch fast nichts gesehen, vorallem nicht den sagenumwobenen “john lennon tempel of love, peace and music”….

bettinuschkas persoenlicher survival guide “russland fuer neueinsteigerInnen”:
1. sei zu allen gleich, denn der nachlaessig gekleidete typ, der in dem offiziellen gebaeude im kaemmerchen neben der tuer sitzt und den du fuer den portier haeltst, koennte der direktor selbst sein.
2. ignoriere saemtliche touristenangebote und frag alle russischen menschen, die du kennst – irgendjemand weiss immer etwas guenstigeres und besseres.
3. kaufe nie mineralwasser mit dem etikett “historische quelle” – es schmeckt genauso so.
4. halte dich an sowenig regeln wie moeglich und tu einfach was du willst (empfiehlt sich auch fuer rest-europa)
5. gehe an offiziellen personen, die nach polizei aussehen, einfach vorbei, schau desinteressiert, unauffaellig aber grimmig (also einfach stupide, was nicht schwer ist)
6. wenn du viel orangefarbiges traegst, sage gleich, dass du nicht aus der ukraine kommst.
7. nenne das baltische meer niemals “ostsee”
8. nimm russInnen, die etwas besonders betont sagen, niemals ernst – es koennte ironisch gemeint sein. d.h. wenn ein portier sagt, der direktor ist krank, geh davon aus, dass er der direktor ist, der heute keine lust hat, direktor zu sein.

und die stadt. die stadt. ich denke nicht so wie der von mir verehrte dostojewsky, auf dessen spuren ich hin und wieder wandle, der geschrieben hat, st.petersburg sei eine junge frau, die sich nur einmal im jahr (zu den weissen naechten im juni) herausputzt, nein, ich denke, st.petersburg ist ein mann, pieter.
ein grober, direkter und auf den ersten blick unfreundlicher geselle, der eine nicht so leicht an sich heranlaesst, der einer ins gesicht faehrt, wann immer er kann. ich bin mir aber sicher, dass zwischen den stringenten linien, hinter den glatten fassaden, den kuehlen fronten und soldatisch zusammengeschlagenen hacken, dass unter dem eis ein goldenes herz schlaegt, fast habe ich ihn schon dabei ertappt, wie er mich blitzblau angelaechelt hat, als er meinte, ich wuerde es nicht bemerken. also begebe ich mich auf die suche… (was ich fuer einen weit verbreiteten weiblichen habitus halte…)

poka, bis bald, eure djewuschka bettinuschka aus dem eispalast des schneekoenigs

ps: es wird auch fotos geben.

2 responses to “snap shot 2”

  1. Reinhard sagt:

    hallo mädchen aus dem süden
    hallo bettinuschka!

    wirklich gelungen dein zweiter bericht, der geht ja nun schon etwas mehr in die tiefe und so können wir mitteleuropäer vielleicht etwas mitfühlen u. mitleben…..
    bei uns gibt es auch ganz wild gewordene autos und das sind z. zt. die oben ohne dinger – die saison ist eröffnet, und jeder muss zeigen das die pferdchen unter der haube über den winter nicht vom fleisch gefallen sind.
    wir hier in den wärmeren zonen bereiten uns ja auf ostern vor, daher sind die wiesen bunt (durch die ersten frühlingsblüher) und die vögel geben lustig laut.
    ich bin sicher – wenn in st. petersburg ostern gefeiert wird (ich denke wie in den anderen orthodoxen ländern) ende april hast auch du den winter überstanden. wir alle hier drücken ganz ganz fest die daumen.
    übrigens meine 3 miezekatzen haben auch schon frühlingsgefühle, immer wollen sie raus in den garten
    eigentlich ist es hier aber rech langweilig, keine vernissagen nicht mal ein klavierkonzert – man wie ich dich beneide (hihihi)
    also dann, ich schicke einen frühlingssonnenstrahl hoch in den norden an das BALTISCHE MEER und einen hauch von frühlingslüftchen….
    servus und bis zum nächsten mal
    bayern grüßt spb – Bussi
    Reinhard

  2. Sabine sagt:

    brrrr — kalt wirds mir, wenn ich das lese! denn heute mittag bin ich schon am balkon gesessen und hab mir die sonne auf den bauch scheinen lassen.
    aber das kommt sicher bei dir auch noch …

    wünsche dir ein schönes osterfest und bald wärmeres wetter!

    sabine und der rest

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